Eine spätklassische
Juristenschrift
Auteur: Kathrin
Fildhaut
Die Verfasserin untersucht den Werkcharakter und die
Textgeschichte der libri disputationum des spätklassischen Juristen Claudius
Tryphoninus, einer bislang wenig beachteten, zu Beginn des dritten Jahrhunderts
n. Chr. verfaßten römischen Juristenschrift. Ein Werk gleichen Titels ist nur
noch von Ulpian bekannt. Nach dem Werktitel hat man vermutet, daß den libri
disputationum streitige Erörterungen zugrunde lagen. Sie werden den quaestiones
an die Seite gestellt, sollen aber deutlicher als diese den Ursprung im
Rechtsunterricht erkennen lassen. Nach verbreiteter Auffassung zeigen die in
den Digesten überlieferten Fragmente tiefe Spuren nachklassischer
Überarbeitung; vereinzelt wird Tryphonins Urheberschaft überhaupt in Zweifel
gezogen.
Die Untersuchung besteht im Haupteil aus ausführlichen
Exegesen einer repräsentativen Auswahl der überlieferten Digestenfragmente.
Ihre Gliederung bestimmen formale Kriterien, da sich die Texte durchweg mehr
oder weniger festen, nach ihren jeweiligen Eigentümlichkeiten benannten
Darstellungsformen zuordnen lassen (Traktate, Kommentare, Distinktionen,
Dialoge). Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, daß die libri disputationum
nicht für die juristische Praxis bestimmt sind. Sie verfolgen vielmehr theoretische Absichten und sind
Beiträge zur gelehrten Diskussion. Ihr Interesse ist Rechtserkenntnis, ihr
Medium die Fallerörterung. Daneben ist auch ein pädagogisches Interesse nicht
zu übersehen, so daß die libri disputationum zugleich eine anspruchsvolle
juristisch-pädagogische Anleitung darstellen. Nicht bestätigt wird die extreme
Kritik der überlieferten Texte. Zwar ist Tryphonins Text weder in den dreihundert
Jahren vor der justinianischen Kompilation noch bei deren Herstellung unberührt
geblieben. Von einer tiefgreifenden Überarbeitung oder gar vollkommenen
Umgestaltung des klassischen Textes kann jedoch keine Rede sein.